Als Journalistin erlebt man die tollsten, aber auch die schrägsten Interviews und neulich, nach meiner Anfrage über eine Gruppe, hatte ich die leibhaftige Göttin der Jahreszeiten, des ewigen Wandels, die Königin des Todes, Proserina zum Gespräch. Das Interview fand in einem der angesagtesten Hotels Deutschlands statt und so saß ich mit gezücktem Stift und wartete auf die große Dame.
Da kam sie herangeschritten… das Foyer war hell erleuchtet und wo sie ging drehten sich interessiert die Leute nach ihr um. Dann kam sie vor der Couch mit Tischchen im Wartebereich zum stehen. Ihre Haare waren streng zu einem Dutt geknotet, was ihre stolzen Züge, sowie die Denkerstirn noch mehr betonte. Sie trug ein elegantes, modernes Outfit in orange und grün Tönen gestaltet.
Nach der Begrüßung und Bewirtung durch einen Pagen, begann das Interview.

Journalistin: „Schön, dass Ihr Zeit für dieses Interview gefunden habt, Eure Göttlichkeit!“ Obgleich gerade der Herbst und Winter Eure Hauptarbeitszeit in der Unterwelt ist. War Euer Gemahl, Gott Pluto, einverstanden damit?“

Proserpina süffisant: „Ich danke für deine Einladung zum Interview, nur so erfahren die Menschlein, was wir alles für ihr Menschenalter tun. Übrigens, liebe Grüße von Pluto und ja, natürlich darf ich an die Oberwelt, auch während der Zeit der Kälte.“

Journalistin: „Eure Göttlichkeit, was umfasst all Eure Aufgaben in der Unterwelt?“

Proserpina voller Eifer: „Nun, die Verwaltung der Unterwelt liegt ganz bei Pluto. Ich teilte einst die Seelenwelt auf und trennte die Guten von den Schlechten, für die guten Seelen erschuf ich die elyssischen Felder. Dort können sich die guten Seelen von ihrem letzten Dasein erholen und auf ein neues Leben vorbereitet werden. Damit nahm ich eine große Aufgabe von Pluto ab.“

Journalistin: „Das scheint eine enorm anspruchsvolle Arbeit zu sein. Wie erholt Ihr Euch? Habt Ihr auch Vergnügungen?“

Proserpina: „Und ob. An Samhain verlasse ich jährlich das Reich meines Göttergatten mit seiner Billigung und gehe tanzen, so wie meine Blutlust stillen. Aber die jungen Männer von heute sind ja so leicht zu haben. Früher vor Jahrhunderten war es noch ein wirklich interessantes Spiel. Manchmal bekam ich nur ein Schluck Blut. Es gab auch damals Jungs welche noch etwas anderes wollten, aber da hatte ich meinen Spaß… einer meinte mal mich im Wald verführen zu müssen. Seine ungesegneten Hände wanderten an Stellen, welche ich ihm nicht zugestand. Ergo drängte ich ihn gegen einen Baum und dieser half mir. Der Baum ließ kleine Äste wachsen, welchen den forschen Jüngling umgarnten und an seinen Baumstamm fesselten. Als dieser mich überrascht und entsetzt ansah, gab ich mich ihm zu erkennen und griff in seinen Brustkorb. Der Jüngling hatte seine Augen noch immer schreckgeweidet auf, als ich ihm sein noch pochendes Herz in meiner Hand präsentierte. Danach vereinnahmte ihn der Baum. So erging es sicherlich mehreren Duzenden junger Mannen und daher gibt’s auch in den Wäldern rund um den Globus, so schaurig menschliche Bäume.“

Journalistin: „Dass ist wahrhaftig interessant, wie morbid. Wie stehen Sie zu Ihrer Dunkelheit?“

Proserpina etwas empört: „Nun, ich koste, nein lebe sie vollends aus. Ich trage das Gute und das Böse, also Licht und Schatten in mir und beides will raus. Ihr Menschlein und eure Welt, welche wir einst erschuffen, seid ein Katalysator für viele unserer göttlichen Begierden. Warum sollte ich also Wasser predigen und Wein saufen, so wie es eure heuchlerischen Sekten tun? Nein Pluto und ich leben unsere Leidenschaft genauso aus, wie wir auch gewissenhaft unsere Aufgaben erledigen.“

Journalistin: „Ja, da sprechen Eure Göttlichkeit ein heikles Thema an, die Religion. Gibt es Gott?“

Proserpina belustigt: „Kommt drauf an, welchen du meinst?! Und nein, bitte erspare uns die Peinlichkeit, dass wir über das AT mit dem alten Griesgram oder das NT mit dem Liebesprediger debattieren. Beides Missverständnisse durch alte Propheten, die entweder Pilze aßen oder tagelang nichts zu trinken und essen hatten. Nur Interpretationen und Spekulationen, welche einst von euch Menschlein für glaubhaft befunden wurden.“

Journalistin: „Okay, ja dies dachte ich mir. Eine andere Frage wäre noch Eure Ehe mit Pluto, läuft da noch alles gut?“

Proserpina: „Ja, man arrangiert sich, aber nach fast elftausend Jahren Ehe ist dies eben so. Es gibt Tage da kommen wir nicht von einander los und es gibt Tage da würden wir uns gerne Vierteilen. Nun ja, einst betrog er mich mit Mentha, einer Nymphe, ich verwandelte sie zur Pflanze und so wächst sie stetig bis zum Weltenende und lindert vielerlei Beschwerden.“

Journalistin: „Dies ist uns Menschen bekannt und wie verzeihte Euch Pluto die Affäre mit Adonis?“

Proserpina: „Mit Adonis waren wir quasi quitt. Außerdem musste ich nicht zaubern, Adonis war in mich verliebt. Als ich im Frühling dazumal mit meiner Mutter über die Erde wandelte, sah er mich und wollte mich. Hätte Venus nach vier Frühling- Sommerzyklen mich bei Pluto nicht verraten, so wäre es noch einige Jährchen gegangen. Venus war eifersüchtig, dass ihr Geliebter, welchen sie ja im Herbst und Winter für sich haben durfte im Frühling und Sommer eben freiwillig mir ergeben war. Venus hatte ja, ihren Sohn mehr oder weniger beauftragt, dass er einen seiner Liebespfeile in Adonis Brust schießt. Sie wollte ihn und mit den Liebespfeilen ihres Söhnleins, Amor, bekam sie Adonis.“

Journalistin: „Apropos, Eure Frau Mutter, wie ergeht es Göttin Ceres derweil?“

Proserpina: „Mutter überlegt ob sie Euch Menschlein nicht erneut einen langen Winter schickt, damit ihr endlich endet euch mit giftigen Waffen umzubringen. Ich hingegen wäre dafür, dass man euch unfruchtbarer macht…weniger Menschen, weniger Ärger. So einfach könnte es gehen. Juno, die Göttin der Mütter und Geburt ist dagegen. Und als Gemahlin von Jupiter hat ihr Wort großes Gewicht. Leider. Es wäre wohl für den Hauptteil der Menschheit besser gewesen, wenn diverse Despoten oder Regenten nie gezeugt worden wären. Jedoch muss ich auch vorweg sagen, dass einige Protagonisten der Vergangenheit und nun der Gegenwart von einigen meiner göttlichen Verwandten geführt werden. Es macht uns höheren Wesen einfach riesen Freude mit euch Schach zu spielen. Die Ewigkeit kann ermüdend sein.“

Journalistin: „Nun, Eure Göttlichkeit, habt herzlichen Dank für Eure kostbare Zeit, um dieses Interview zu führen. Es war mir und der Redaktion eine Ehre.“

Proserpina: „Die Freunde war ganz meinerseits und bitte denkt daran, ihr lieben Menschlein, wenn ihr uns, euren Schöpfern, zu bunt werdet, lassen wir den Laden einfach hoch gehen. Bye Bye.“

Die Göttin stand auf, erhob ihr Glas, trank aus und ging.

Es war ein fantastisches Interview und die absolute Ehrlichkeit von Proserpina entwaffnend, daher konnte meine Person nicht noch schärfer fragen und bohren, allerdings vermute ich, dass meine hochgeschätzte Leserschaft zufrieden ist.

©️Text und Foto: Nicole Maier