Anemone von Waldenhain
Es war der 05. Juni 2019 und draußen ist es frühsommerlich heiß gewesen. Simone stöhnte angestrengt, als sie die gefüllten Taschen mit dem Einkauf auf den Küchentisch stellte: „Was für eine Hitze.“ Richard, Simones Mann, rührte in einem Krug die selbstgemachte Limonade auf und schenkte ihr ein Glas davon ein. „Liebes, hier trinke dies!“ Kredenzte er und dankend nahm sie das Glas entgegen. Die Limo wirkte wie eine Frischzellenkur auf den trockenen Rachen und herrlich perlte die Kühle die Kehle hinab. Richard verstaute derweil die Einkäufe in die Schränke und achtete nebenbei was mit seiner Frau geschah. Simone schwindelte und bevor sie ganz und gar ihr Bewusstsein verlor, fing Richard sie mit seinen kräftigen Armen auf. Behutsam trug er seine süße Fracht auf die Couch ins Wohnzimmer und wartete neben ihr ab.
Bunte Bilder erschienen Simone in ihrer Bewusstlosigkeit und urplötzlich tanzten die Flecken vor ihren Augenlidern. Blinzelnd schlug sie die Augen auf. „Sie ist wach! Juche!“ Sagte jemand mit Piepsstimme. Simone versuchte sich zu sammeln und guckte in eine Ecke an der Decke, die Spinne im Netz winkte ihr mit dem Vorderbein zu. Dann drehte sie den Kopf zu Richard: „Wie geht’s dir, Liebes?“ „Oh Mann, ich glaube dass ich einen Sonnenstich habe.“ Begann Simone zu argumentieren und erklärte weiter: „Die Spinne hat mir zugewunken und vermutlich glaubte ich auch dass sie mit mir sprach.“ Die Fliege summte erneut und landete auf Simones Nase, entrüstet meinte das Insekt: „So eine Unverschämtheit. Erwin kann nicht reden, ich war es, Hugo!“
Simone sprang empört von der Couch und Richard rannte ihr hinterher: „Bitte, höre mir zu, Anemone von Waldenhain!“ Angewurzelt blieb Simone stehen: „Wie nanntest du mich? Den Namen habe ich schon einmal gehört – aber wo?“ Hugo flog vor ihr herum und sagte: „Du bist Anemone von Waldenhain, unsere Elfenkönigin.“ Hysterisch lachend drehte sich Simone zu Richard um und meinte: „Schatz, ich bin verrückt.“ Richard griff sie an den Oberarmen: „Nein, es ist wahr. Hugo hat recht. Morgen bist du sechzig Jahre lang Mensch und nun müssen wir ins Elfenland zurück, darum rührte ich in deine Limonade Aniversary-Anti-Amnesia-Pulver, damit sich deine Erinnerungen wieder einschalten. Wir werden nun ganz brav auf die Couch sitzen und warten!“
Ganz artig setzten sich Simone und Richard auf die Couch, dann legte er seine Stirn an ihre Stirn und murmelte unverständliche Worte. Die Erinnerungen stürmten durch Simones Gehirn, auf einmal sind alle erlebten Bilder wieder aktiviert gewesen. Sie sah sich als Elfenkind, wie sie mit ihren Freunden spielte. Wie sie mit den Eltern zu großen Anlässen flog. Auch sah sie die Erinnerung an Richard vom Rosenstock, wie sie sich in der Baumwurzeldisco kennenlernten, sowie den ersten Kuss mit ihm.
Als Antwort, dass sie wieder die Alte war, gab Anemone Richard einen leidenschaftlichen Kuss und er verstand. Noch immer ruhten die Stirne der beiden aneinander, als Anemone an Richards Lippen hauchte: „Alle meine Gemälde sind Portale zum Elfenland.“ „Dies weiß ich, Liebes. Lass uns in dein Reich zurück kehren!“ Forderte Richard.
Ohne großes zögern, erhoben sich die beiden und liefen zu einem der vielen Gemälde, welche Anemone als Simone gemalt hatte, nahmen es von der Wand und legten es auf den Boden.
Richard machte den Anfang und stieg zu erst durch das Gemälde. Anemone sah ihn schrumpfen und Flügel bekommen, vergnügt winkte er ihr zu.
„Jippi, ich will mit.“ Summte Hugo, die Fliege und folgte mit Karacho ins Gemälde. Schließlich folgte auch Anemone.
Die Luft war warm und duftig. Glücklich flogen Anemone und Richard Schrauben, sowie Loopings. „Wie konnte ich dies alles vergessen? Es ist so herrlich zu fliegen.“ Meinte begeistert Anemone, Richard entgegnete: „Du wolltest es so, Liebes. Ich musste dir jedoch versprechen, dass wir innerhalb eines Elfenjahres zurückkehren und ich dir die Erinnerungen wiedergebe.“ Hugo brummte heran: „Ein Elfenjahr sind sechzig Menschenjahre.“ „Danke Hugo,“ antwortete Anemone, „meine Erinnerungen habe ich wieder. Nun lasst uns meine Eltern und unser Volk nicht länger warten.“ Die beiden Elfen und die Fliege sausten durch den Blätterwald, durch Geäst und Farne. Abrupt endete der Flug für Anemone, sie erkannte zu spät ein Spinnennetz. Hugo und Richard blickten sich um und sahen wo Anemone abgeblieben war.
Anemone versuchte sich aus den klebrigen Seilen zu winden, jedoch erfolglos. Die Spinne rieb sich freudig die Vorderbeine, solch eine Leckerei landet nicht oft in ihrem Netz.
„Hilfe!“ Schrie entsetzt Anemone, Richard und Hugo flogen bereits heran. Die blauen Flügel von Richard bekamen scharfe, zackige Ränder. Er flog rasant und mit den Flügeln voraus, über die angeklebte Anemone hinweg, durch das Spinnennetz. Durch seine Aktion entstand ein großer Riß im Netz und Anemone fiel hinab. Allerdings haftete noch immer Reste des Spinnennetzes an ihr, weshalb sie ihre Flügel nicht benutzen konnte. Krampfhaft versuchte sie ihren Sturz abzufangen, indem sie ihre Flügel öffnen konnte, aber vergeblich. Zeitgleich und im Sturzflug, kam Richard ihr immer näher.
Er konnte einen Fuß von ihr fassen und flog sogleich mit ihr auf einen Ast.
Anemones Herz schlug ein Stakkato, so aufgeregt ist sie gewesen. „Ich muss dich von dem Netz befreien.“ Erklärte Richard, während er sich an ihren Flügeln zu schaffen machte. Anemone fand Worte und sagte: „Danke, Geliebter!“ Hugo bummelte heran und meinte höflich: „Wisst ihr was…ich fliege nun in die Königsstadt und gebe bescheid, dass ihr mit Verspätung kommt! Dann habt ihr auch ein wenig Erholung.“ Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, hob Hugo ab und flog davon.
Als Anemone und Richard alleine waren, befreite er seine Herzdame weiter von den klebrigen Seilen. Anemone quaselte nervös drauflos, denn einige Stellen ihrer Flügel taten weh: „Du bist nach wie vor mein Held, Richard. Der Elfenkrieger meines grünen Herzens. Nun sind wir zwei Jahre verheiratet und haben in der Menschenwelt unseren Auftrag ausgeführt. Oder haben wir nicht? Sind die Menschen nun friedlicher?“
Richard zog am letzten Stückchen Spinnennetz und landete unsanft auf seinem Rücken. Auch Anemone tat diese Prozedur weh, nun half sie ihrem Gemahl auf. Er antwortete: „Nun in der Welt der Menschen, konnten wir einige Denkanstöße und Ideen säen, aber ob dies genügt werden wohl die nächsten Elfenspione in Erfahrung bringen müssen. Die meisten Menschen sind hartherzig und gierig Besitz, sowie dieses „Geld“ zu horten.“ Er schob eine verirrte Locke aus Anemones Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie fuhr mit ihren Händen durch seine Haare und küsste ihn leidenschaftlich retour. Richard zog Anemone näher zu sich und hinterließ auf ihrem Hals ein Spur feuriger Lippenbekundungen, zeitgleich wanderten Richards Hände zu ihrer Taille. „Stopp!“ Keuchte Anemone und erklärte: „Dies muss warten, wir müssen unbedingt in die Königsstadt!“
Energisch wand sie ihrem Gemahl den Rücken zu und flog los gen Stadt.
Wie sie so flogen und sich über das Menschendasein amüsierten, düste ihnen Hugo entgegen. Total hyperaktiv umschwirrte die Fliege das Elfenpaar: „Es ist grausam! Bitte hört mir zu!“ Richard blieb im Standflug und erkundigte sich bei der Fliege: „Was ist passiert, Hugo?“ „Der böse Onkel von Anemone, hat die Macht an sich gerissen,“ berichtete Hugo, dann schauten seine vielen Augen eindringlich Anemone an, „deine Eltern sind unter Arrest.“ Anemone glaubte ihren Ohren nicht: „Weißt du wie Bertram dies geschafft hat?“ Hugo verneinte mit Kopfschütteln, sagte aber: „Scheinbar gibt’s einen Deal mit einem schlimmen Mann aus der Menschenwelt. Mehr habe ich auch noch nicht in Erfahrung bringen können.“ Richard intervenierte: „Anemone, wir werden uns in die Königsstadt schleichen und uns dies genauer ansehen!“
So geschah es, das Elfenpaar und Hugo flogen unter dem Radar der Elfenstreitkräfte hindurch und näherten sich dem Palastbaum.
Zwischenzeitlich hatten sie die gute Kleidung beschmutzt und Laubbröckchen an ihre Flügel geheftet, um nicht arg aufzufallen. Es war erschütternd, dass so viele Insekten auf dem Elfenmarktplatz als Sklaven verkauft wurden. „Was ist bloß in diesem Jahr passiert?“ Fragte Anemone, Richard meinte: „Ein Putsch oder sonst etwas kriminelles. Deine Eltern haben stets zu nachsichtig regiert. Bertram hätten sie vor langer Zeit ins Exil schicken müssen.“
Hugo bot seine Hilfe an: „Hört zu ihr zwei! Auch wenn ihr nun superschmuddelig ausseht, werden euch die Kammerdiener und andere Hofschranzen unter dem Dreck erkennen, darum werde ich in die Gemächer deiner Eltern fliegen, Anemone. Denn meine Art wird zurzeit als Sklave gehalten und fällt nicht weiter auf.“ „Gut Hugo,“ argumentierte Anemone, „aber pass auf dich auf!“
Hugo kam tatsächlich unbemerkt an den Palastwachen und Kammerdiener vorbei, da Fliegen, Bienen und Schmetterlinge seit Bertrams Putsch versklavt leben.
Als er endlich vor den Gemächern des Herrscherpaares ankam, ließen ihn auch dort die Wächter passieren.
„Königin Amalia und König Berinhard, seid gegrüßt!“ Summte Hugo die Fliege, ruckartig drehten sich die beiden vom Fenster weg und schauten eingeschüchtert Hugo an. Das Königspaar hatte hängende Flügel und matte Augen. Berinhard fasste sich als erster, schließlich war er einst Elfenkrieger: „Hugo? Bist du etwa mit unserer Tochter und ihrem Mann da? Ihr müsst euch verstecken!“ „Ja, eure Majestät, das Elfenjahr in der Menschwelt ist vorbei.“ Bestätigte Hugo und wollte wissen: „Was ist geschehen? Was hat Bertram gemacht?“
Amalia und Berinhard legten zeitgleich ihre Zeigefinger an die Lippen und forderten mit Handzeichen Hugo auf ihnen in den anderen Raum zu folgen.
Amalia sagte der Fliege: „Berinhard und ich werden mit unseren Gedankenkristallen dir zeigen was geschah!“ König Berinhard zog unter dem Bett eine Schatulle hervor und öffnete diese. Darin befanden sich diverse Bergkristalle und Quarze, einen sehr dunklen Rauchquarz nahm er hinaus und legte diesen vor Hugo ab.
„Du musst ihn mit deinen Fühlern berühren, damit du siehst was passiert ist!“ Wies ihn Amalia an und Hugo berührte mit seinen Fühlern den Elfenhand großen Quarz.
Bertram war in der Menschenwelt und besorgte dort Drogen mit denen er sich das Elfenvolk gefügig machte. An dem Tag als Anemone und Richard das Elfenland verlassen haben, hatte Bertram im Namen des Herrscherpaares eine Volksversammlung ausgerufen. Alle, alle, ob jung oder alt, ob krank oder gesund erschienen auf dem großen Marktplatz. Das Königspaar trat auf den Balkon und wollte von Bertram wissen, weshalb er in ihrem Namen eine Versammlung ausgerufen hatte. Im selben Moment flogen Motten mit einem seltsamen Staub über die Köpfe der Elfen hinweg, wenig später konnte Bertram Befehle erteilen, die ausgeführt wurden.
Schockiert über das Gesehene löste Hugo seine Fühler vom Rauchquarz und erkundigte sich: „Wann seit ihr aus der Betäubung erwacht?“ „Tags darauf, da wussten wir noch gar nicht wie uns geschehen war.“ Antwortete Berinhard und Amalia ergänzte: „Wir wollten morgens unsere Gemächer verlassen, da überwältigten uns die Wachen und sperrten uns in den Kerker. Nach Tagen erschien Bertram und erzählte uns, dass er jeden Tag die Leute mit der Droge betäubt, damit sie ihm gehorchen und er endlich regieren kann.“ Berinhard, der Elfenkönig warnte Hugo: „Du musst Anemone warnen! Sie und Richard, müssen sich luftdicht verstecken, sobald die Dämmerung einsetzt. Täglich zur Abenddämmerung finden sich alle Elfen auf dem Marktplatz ein und werden dort mit der Droge betäubt.“ „Dann muss ich nun los, sonst ist es zu spät.“ Sagte Hugo und verließ umgehend das Königspaar. Die Wachen hatten sich auch von der Tür zum Gemach entfernt, wohl um auf den Marktplatz zu gehen.Wie Hugo so durch die leeren Gänge und Korridore flog überlegte er, Anemone und Richard ins Gemach des Herrscherpaares zu bringen. Da sich nun jede Elfe auf dem Marktplatz einfinden wird, ist das Gemach von Anemones Eltern wohl das sicherste Versteck!
Richard und Anemone kauerten noch immer dort, wo Hugo sie vorher zurückgelassen hatte. Richard flüsterte: „Hugo was ist da draußen los? Erst lärmten alle die Gänge entlang und seit wenigen Minuten ist es gespenstisch Still.“ „Für Erklärungen haben wir keine Zeit,“ begann Hugo und fuhr fort, „folgt mir, ich bringe euch in Sicherheit!“
Anemone und Richard flogen hinter Hugo her und wussten automatisch dass er ins Gemach des Herrscherpaares flog.
Beinahe geräuschlos öffnete Anemone die große Türe zu ihren Eltern: „Vater, Mutter! Wie schön euch zu sehen!“ Rief freudig Anemone aus, vor lauter Enthusiasmus vergaß sie leise zu sein, worauf die Eltern und Richard zeitgleich ihre Zeigefinger an die Lippen legten und „Scht.“ machten. Stürmisch umarmten die Eltern ihre Tochter, sowie den Schwiegersohn. Als sie sich begrüßt hatten, erzählte ihnen König Berinhard die Geschehnisse in Kurzfassung und meinte besorgt: „Natürlich bekommt ihr hier drinnen bei uns diese Inhalationsdroge nicht ab, allerdings könnt ihr auch nicht hier bleiben! Mein Bruder Bertram kommt jeden Abend vorbei, um zu sehen wie wir vergehen. Bitte geht und nehmt euch in Acht!“
Auch die Königin ergänzte: „Rosalie ist im Widerstand. Geht zu ihr nach Moosgrund. Meine Schwester wird euch helfen.“ Die Eltern wünschten ihrer Tochter und dem Schwiegersohn Glück und bedankten sich bei Hugo für seine Loyalität.
Das Gejubel vom Marktplatz war bis durch den Palastbaum zu hören, lange werden die Fliehenden nicht mehr unentdeckt bleiben. Damit alle drei, die beiden Elfen und die Fliege nichts von der Droge abbekommen, welche noch immer in der Luft schwebte, erhoben sie sich in entgegengesetzter Richtung. Damit das Radar nicht Alarm auslöst, flogen sie knapp über dem Erdboden.
Am Stadtrand war die Waldameisenpolizei stationiert und wäzte bereits die scharfen Schneidezähne, als diese die flüchtenden Elfen und Fliege gesichtet hatten.
Richard gab Order: „Auch wenn wir nun den Radar auslösen, wir müssen in die Höhe fliegen, sonst sind wir Geschichte!“ Ohne weitere Argumente, erhoben sie sich über die Waldameisenpolizei hinweg und in der Einsatzzentrale der Elfenstreitkräfte ging der Alarm los.
„Unauthorisierte Objekte“.
Mit schnellster Geschwindigkeit flogen Anemone und Richard gen Moosgrund zu Rosalie, Hugo der immerhin schneller war, machte die Vorhut.
Mit Spitzengeschwindigkeit überflogen die drei die Waldameisenpolizei und wussten, dass sie noch einen Zahn zulegen sollten. Die Elfenstreitkräfte waren nämlich so konditioniert, dass sie die doppelte Geschwindigkeit fliegen konnten. „Wir müssen uns trennen und die Soldaten verwirren!“ Schlug Hugo vor, Anemone und Richard stimmten zu und jeder von ihnen blieb zwar auf Kurs, aber sie wechselten die Höhe, trennten sich, flogen Schrauben und Loopings.
Anemone musste sich motivieren, denn selbst einer jungen Elfe gehen die Kräfte aus. Aber instinktiv spürte sie die Soldaten im Nacken und dies war Ansporn für noch mehr Power und Siegeswille. Allerdings sorgte die zunehmende Dunkelheit für Schrammen, denn irgendwas streifte man im Flug immer. Wie gut, dass sich inzwischen die Glühwürmchen zum nächtlichen Reigen erhoben haben. Nun konnte Anemone im Wald die Bäume, Zweige und Blätter besser erkennen.
Richard hatte mit den selben Sichtproblemen zu kämpfen und auf seiner Route waren keine Glühwürmchen, welche für etwas Licht sorgen konnten. Aber als ehemaliger Krieger fuhr er seine Zacken an seinen Flügeln aus, damit er nicht ständig durch Blätter im Flug gestreift wurde.
Hugo seinerseits ganz die schnelle Fliege, war bereits im Moosgrund angekommen. Die Elfen des Widerstands hatten ihre eigenen Späher und daher rief Hugo ihnen noch im Flug zu: „Ein Hoch auf König Berinhard und Königin Amalia.“ Mit dieser Losung verhinderte Hugo gefangen genommen und eingesperrt oder gefoltert zu werden.
Kaum das er hinter der Späher- und Abwehrlinie gelandet war, nahmen ihn zwei Elfen in Gewahrsam und eskortierten Hugo zu Rosalie.
In einer Höhle die einst die Heimat von Erdwespen gewesen ist, war der unterirdische Widerstandsstützpunkt. Hugo war mulmig zumute, aber es half nichts, er mußte Rosalie über die Ankunft ihrer Nichte und Richard informieren.
Die Elfen hatten zwar die ehemalige Erdwespenhöhle wohnlich hergerichtet, aber der Geruch von Tod und Angst hing noch in der Luft.
Stolz und schön stand Rosalie in Rüstung da. Die Thronhalle der Widerstandsführerin war schlicht, aber mit allen technischen Schikanen eingerichtet. Hugo glaubte sich in einer Kommandoeinsatzzentrale. Rosalie beriet sich eben mit einem Soldaten, als Hugo mit Geleitschutz in den Thronsaal eintrat. Einer der beiden Elfensoldaten an Hugos Seite, lief zu Rosalie und salutierte, wisperte ihr etwas zu. Die Schwester von Königin Amalia drehte sich um und musterte die Fliege. Dann ging sie auf Hugo zu und die beiden tauschten sich aus.
Mittlerweile traf auch Richard ein und umgehend wurde auch er zu Rosalie gebracht. Diese wusste inzwischen durch Hugo über alles bescheid und anstatt Richard ordentlich zu begrüßen, fragte sie streng: „Wo ist Anemone?“ „Ist sie noch nicht hier?“ War Richards Gegenfrage und ergänzte: „Ich werde gleich nochmals losfliegen und sie suchen!“ „Nein,“ verbot Rosalie, „wir brauchen dich hier, du warst auch im Palastbaum und kannst meinen Soldaten bei der Planung des Befreiungsschlags helfen.“ „Bei allem Respekt, Rosalie, du bist ein guter Offizier, aber Anemone ist meine Frau und ich werde sie suchen!“ Widersprach Richard, jedoch machte Rosalie ein Zeichen und der Geleitschutz hielt Richard fest, daraufhin entgegnete Rosalie: „Tut mir leid, aber es ist Krieg und ein Befehl ist ein Befehl. Anemone ist meine Nichte, sie wird es schon schaffen.“
Anemone war müde und erledigt, sie wusste der Moosgrund war nicht mehr fern, dennoch konnte sie das hohe Tempo nicht mehr fliegen. Sie fand Schutz in einem verlassenen Eichhörnchen Kobel, dort werden sie auch die Elfenstreitkräfte nicht vermuten. Elfen missfällt starker Geruch und der einstige Kobel stank. Selbst Anemone kostete es Überwindung in den Bau zu huschen, aber wenn es um Leben und Tod geht, herrschen andere Gesetze.
Total erledigt blieb sie liegen wo sie war und überlegte was in diesem einen Elfenjahr wohl alles geschehen sein musste. Der nächste Gedanke galt ihrem Gefährten und ob er es nach Moosgrund geschafft hatte.
Dann schlief sie ein und ergab sich dem Schicksal.
Damit Richard keine Dummheit unternahm und womöglich auf eigene Faust Anemone suchen könnte, verhängte Rosalie einen Arrest für ihn und Hugo.
Wie Richard nun hinter Gitter auf und ab lief, beruhigte ihn Hugo mit folgenden Worten: „Du musst auch Rosalie verstehen, wir könnten Bertrams Leuten ihr Versteck verraten, sofern diese uns aufspüren und foltern würden. Anemone ist taff, sicherlich hat sie einen sicheren Hort für die Nacht gefunden!“ Nun ließ sich auch Richard rückwärtig auf eine Matte fallen und meinte sarkastisch: „Du hast recht, Hugo. Anemone ist stark und hat viel Erbmasse von Rosalie und wir wissen ja, wie kriegerisch unsere Elfenweibchen sind?!“
In der Kommandozentrale des Widerstands, gab Rosalie auf bienisch den Drohnen Order auszuschwärmen. Die zwanzig männlichen Bienen trugen alle am Bauch Kameras, damit die Offiziere in der Kommandozentrale alles mitverfolgen konnten.
Chrysanthem, Rosalies beratender Offizier, trat näher an sie heran und wisperte in ihr spitzes Ohr: „Ich kann den armen Jungen, Richard, verstehen…wenn du in der Situation deiner Nichte wärest und ich in seiner…“ Mit funkelnden Augen drehte sich Rosalie um und zischte durch die Zähne: „Nicht hier Chrysanthem! Unser Privatleben beginnt und endet unter dem Türrahmen meines Gemachs, verstanden!“ „Jawohl!“ Salutierte Chrysanthem.
Das kurze Téte a Téte wurde jäh unterbrochen: „Elfenstreitkräfte aus Südost! Sieht nach einem Jagdgeschwader aus.“ Rosalie ging zu der Offizierin, welche die Meldung machte und guckte ihr über die Schultern auf den Bildschirm. Chrysanthem guckte ebenfalls und meinte: „Die suchen nur nach den Ausreißern.“ Rosalie hoffte, dass ihr Geliebter recht hatte.
Es blieb die ganze Nacht ruhig und ein wenig erholt, nach dem Schlaf, raffte sich Anemone auf. Sie reckte und streckte sich und ihre Flügel, dann kletterte sie aus dem Kobel und klopfte sich den Dreck von ihrer Kleidung.
Anemone wusste dass ihr Körper fürchterlich stinken musste, aber gut damit lockte sie die Feinde nicht auf ihre Fährte. Die Sonne kitzelte ihre Nase und ein kräftiger Niesanfall schleuderte Anemone vom Ast. Ganz nach ihrer Manier genoss sie den Sturzflug und nur wenige Zentimeter vom Boden entfernt, spreizte sie ihre Flügel und flog in die wärmere Luft hinauf. Sie segelte auf der Thermik und roch die Blüten des Frühlings in der Luft. Nun erinnerte sie sich: „Ich habe ja Geburtstag. 120 Jahre bin ich heute und noch so viele Jahrhunderte vor mir. Ergo, ich muss meine Welt und Familie retten!“
In der Nacht und am frühen Morgen war in der Zentrale des Widerstands viel geschehen. Richard wurde ein Raum mit Badezimmer zur Verfügung gestellt, welches er nach der Arrestzelle direkt benutzte. Hugo wurde mit dem Auftrag Anemone aufzufinden beauftragt, es wurden ihm noch zwei Soldaten mitgegeben.
Rosalie und Chrysanthem sorgten vor dem Erdwespenbau für Kampfgeist. Vor ihren Divisionen schritten sie auf und ab und über ihre Headsets sprachen sie die Parolen: „Wir wollen wieder ein freies Volk sein, ohne Einflussnahme von Betäubung.“ „Ja!“ Antworteten gemeinsam aus schreienden Kehlen die Widerstandskämpfer. „Bertram der Usurpator und Diktator, nahm unseren Liebsten den freien Willen, um meine Schwester, eure Königin und ihren Gemahl wegzusperren. Wir wollen ihn tot und verdorrt sehen!“ „Ja!“ Kam erneut die Antwort aus der Masse.
Wie Anemone so genüsslich im Gleitflug war, sah sie drei Punkte immer größer werden. Es sind Hugo und die zwei Soldaten des Widerstands gewesen.
Hugo war erleichtert Anemone so unversehrt zu sehen, jedoch roch er von weitem bereits den strengen Geruch des Eichhörnchenkobels. Erfreut flogen die Freunde sich an und Hugo erklärte Anemone kurz was alles passiert war, seit sie sich trennten. Eskortiert von den beiden Widerständlern flogen sie nach Moosgrund.
Als Anemone gemeinsam mit Hugo und den zwei Eskorten in Moosgrund angekommen sind, befanden sich Rosalie und ihrer Widerständler im Aufbruch zur Rückeroberung von Elfenland.
Tante und Nichte begrüßten sich in der Luft, danach meinte Anemone: „Lass mich an deiner Seite mitkämpfen!“ Im Flug stehend, legte Rosalie Anemone ihre Hand beschwichtigend auf die Schulter und sagte: „Nein Anemone, du bist die Thronerbin von Elfenland, dir darf nichts widerfahren.“ Streng sah Rosalie sie beiden Eskorten von Anemone an und befahl ihnen: „Ihr beide sorgt dafür, dass sie zu ihrem Gemahl, Prinz Richard, gebracht wird! Und lasst die beiden nicht unbewacht! Verstanden?“ „Jawohl, Frau General!“ Antworteten die beiden. Rosalie neigte sich ein letztes Mal Anemone zu: „Liebe Nichte, bitte verstehe meine Strenge! Deine Mutter und ich sind darin konform, dass dir kein Leid geschieht. Ein kleiner Tipp am Rande, ein Bad wäre nicht schlecht! Wünsche uns Sieg, Anemone!“ Rosalie schoss wie ein Pfeil davon. Anemone wurde von den zwei Eskorten in Gewahrsam genommen und in die Einsatzzentrale im Erdwespenbau gebracht.
Richard nahm Anemone in Empfang und machte „High five“ mit einem von Hugos Beinen. Anemone vergass ihren Zorn über die beiden, sie eskortierenden Soldaten und lief ihrem Richard in die Arme: „Wie schön, dass du wieder bei mir bist,“ meinte er erfreut, aber mit hochgezogenen Augenbrauen stellte er fest, „vermutlich wäre eine chemische Reinigung das Richtige!“ Anemone gab ihm schallend lachend eine Ohrfeige und argumentierte: „So viel zum Thema du freust dich mich zu sehen…keine Sorge ich wasche mir den Eichhörnchenkobel von der Haut!“
In Elfenland hatten sich die Soldaten des Putschisten Bertram auf dem Marktplatz versammelt, die Drohnen flogen mit scharfer Munition über Elfenland hinweg.
Rosalie und Chrysanthem gaben im Anflug ihren Divisionen Order von allen Seiten anzugreifen. Sie kesselten die Stadt ein. Die Bodenstreitkräfte der Hirschkäfer sorgten für ein schlimmes Gemetzel gegen die Waldameisenpolizei, welche die äußere Verteidigungslinie von Elfenland bewachten. Einige der Drohnen griffen die Widerständler in der Luft an und Bertram ließ diese von seinem Stützpunkt aus explodieren. Diese männliche Bienen, welche durch Drogeneinfluss für Bertram kämpften starben einen ungerechten Tod.
Die Luft des neuen Tages schien über Elfenland zu brennen. Die Apokalypse war perfekt.
Nach einem ausgiebigen Bad im Gemach von Richard, in der Widerstandszentrale, machte sich durstig und hungrig Anemone über ein Frühstück her. Hugo erholte sich in seiner eigenen Unterkunft.
Richard sah seiner Gemahlin beim frühstücken zu und sie unterhielten sich über ihre Erlebnisse der vergangenen Stunden.
Als Anemone frisch gewaschen war, meinte sie ironisch: „Meinst du, dass ich dir nun unter die Augen…ähm…Nase treten kann?“ Richard sah von seinem Tablet auf und betrachtete seine Frau, dann meinte auch er gespielt kritisch: „Also dazu muss ich dich erst einmal beschnuppern! Wer weiß ob ich nicht noch eine Stelle entdecke, welche zusätzlicher Reinigung bedarf?“ Er ging um Anemone rum und blieb hinter ihr stehen, sachte schob er ihre Haare über ihre rechte Schulter. „Hier könnte noch etwas Schmutz lauern.“ Hauchte Richard an ihr linkes Ohr, bevor er ihre linke Halsseite mit leichten Küssen bedeckte. Anemone ließ das Badetuch von sich hinabgleiten, dann drehte sie sich ruckartig um und küsste Richard feurig. Die Herzen der beiden sendeten Kaskaden von Pulsschlägen durch ihre Körper, so stark war die Lust. Ihre Elfenflügel begannen zu leuchten, Richards in kräftigem Blau und Anemones in dunklem Rot. Richard trug Anemone auf das Bett in ihrem gemeinsamen Gemach und beide ergaben sich dem Sturm des Verlangens.
Der Himmel über Elfenland brannte. Immer mehr der betäubten Untertanen Bertrams erwachten aus ihrem Tran und wussten nicht wie ihnen geschehen war.
Chrysanthem und Rosalie kämpften sich mit ihren Truppen erfolgreich durch den Palastbaum. Über ihr Headset befahl Rosalie Chrysanthem: „Nimm deine Leute und dringe zum Gemach meiner Schwester vor! Sorge für die Sicherheit von ihr und ihrem König! Ich erledige den Halunken.“ „Zu Befehl, Frau General!“ Sagte Chrysanthem und leitete ihre Order an seine Leute weiter.
Rosalie schoss sich den Weg zum Thronsaal frei. Bertram saß selbstgefällig auf dem Blütenthron und sagte lakonisch, während er auf seine Fingernägel blickte: „Wie süß muss doch Schwesternliebe sein? Du könntest hier an meiner Seite sitzen und herrschen, aber Macht ist für dich wie mein Dreck unter den Nägeln.“ „Du weißt nichts über Ehre und Loyalität, Bertram. Du nimmst mit Betäubung diese Stadt ein und glaubst du seiest im Recht zu herrschen. Was hast du für dein Volk getan?“ Spottete Rosalie und ließ ihn nicht aus dem Visier, Bertram erhob sich schwungvoll vom Thron und schritt hoheitlich die Stufen vom Thron herab: „Du hast immer deine kleine Schwester beschützt, obwohl du die legitime Thronerbin gewesen bist. Hattest du nie Ehrgeiz?“ Bertram stand nun direkt vor Rosalie und ihre gereizte Antwort kam ohne Umschweife: „Doch aber mein Ehrgeiz besteht darin, die die ich liebe zu beschützen und außerdem regiere ich im Untergrund und reagiere nun mit Waffen.“ Sie schoss in seine rechte Schulter, durch den unerwarteten Schmerz verlor Bertram seine Pistole und ging in die Knie. Das Hemd färbte sich rot und er keuchte: „Warum? Ich hätte dich zur Königin gemacht. Im Gegensatz zur braven und laschen Amelia, bist du ein echtes Kampfweib….“
„Genug!“ Schrie Rosalie.
Etwa zur selben Zeit erschienen Chrysanthem zusammen mit Berinhard und Amalia unterm Türrahmen zum Thronsaal.
„Lass ihn leben, Rosalie!“ Forderte Königin Amalia und ging auf ihre Schwester zu. Sie legte ihr die Hand auf die Schulter, Rosalie drehte sich nicht nach ihr um, verbissen richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Verräter.
Auch Berinhard meldete sich zu Wort: „Bertram, du bist mein Bruder….umbringen werden wir dich nicht, aber dein langes Leben wirst du den Kerker nicht mehr verlassen!“ Der König machte ein Handzeichen und die Soldaten des Chrysanthem führten Bertram, den Verräter ab.
Nach glückseligen Stunden der Zweisamkeit, erwachten Anemone und Richard vom Lärm und Jubel in den Gängen des Erdwespenbaus. Ihnen war klar, dass Rosalie Erfolg und gesiegt hatte. Das Leben im Elfenland würde wieder friedlich werden und die Aufgaben für Flora und Fauna könnten alle Elfen wieder gerecht werden.
Nach vielen Wochen in welchen das Elfenland wieder seine Normalität zurück hatte, hielt das Herrscherpaar ein großes Fest ab. Rosalie, Chrysanthem und viele tapfere Elfenkrieger bekamen Medaillen. Auch Richard und Anemone hatten gute Nachrichten, jedoch solange das Volk noch nichts sah schwieg das künftige Königspaar. Königin Amalia und König Berinhard hingegen wußten dass ihre dynastische Linie weitergeführt werden würde. Hugo sollte später dem Elfenkind Fluglehrer werden.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute….
© Nicole Maier