Myra saß weinend auf dem Holzklotz vor ihrem kleinen Häuschen. Seit Jahren schon wohnte sie im geräumigen Gartenhaus, welches mit Bad und Küche ausgestattet war. Die Rund 40 Quadratmeter plus den dazu gehörigen Garten drum herum, hatte sie von den Eltern ihrer besten Freundin geschenkt bekommen und da ihr kleines Verkäuferinneneinkommen nur zum auskommen und nicht für Luftsprünge reichte, lebte sie in diesem Reich.
Ihr einziger kleiner Luxus war ihr Smartphone und den Vertrag mit einem Telefonanbieter. Seit Wochen bereits war sie zu Hause wegen der Coronakrise und ob ihre Chefin überhaupt den kleinen Hutladen wieder öffnen würde war vakant.
Es war Anfang April und Myra verstand die Welt nicht mehr… Nein, die Welt verstand sie. Myra verstand den Mann den sie liebte nicht mehr. Seit Tagen machte er ihr mit bösen Botschaften das Leben schwer, durch Cybermobbing. Aber ihre Freunde glaubten Myra und ihre Ehrlichkeit.
Nun weinte Myra wieder und ihr war kalt, obwohl es frühlingshafte 22C° hatte.
Myra zuckte zusammen, eine Eidechse kletterte an ihrer Jeanshose auf ihr Knie und guckte Myra an. Als eine Träne aus Myras Augen auf dem Weg abwärts war, schnellte die Zunge der Eidechse nach draußen und fing diese salzige Träne auf. Die Eidechse machte kehrt, kletterte das Hosenbein abwärts und verschwand unter den Steinen.
Myra wischte sich die Tränen weg und arbeitete weiter an den Kräutern. Was sie nicht wusste, dass diese Eidechse keine biologische Eidechse gewesen ist, sondern von einem anderen Planeten, aus einem anderen Sonnensystem war.
Chlodio, die Eidechse, besinnte sich unter den Steinen, was er aus dieser Träne alles entnahm. Er sah die vielen WhatsApp – Nachrichten und hörte die Audiobotschaften des Mannes, welcher Myras Herz gebrochen hatte. Da waren so viele nette Nachrichten und dennoch hatte dieser böse Mensch von Anfang an nur mit Myra gespielt. Als sie sich zum ersten Mal begegneten, war Myra verunsichert, da er sie sogar im Aussehen und Gestalt betrogen hatte. Dieser „Er“ war ein hässlicher, faltiger, alter Giftzwerg. Dabei erzählte er stets wie groĂź er war. Dennoch gefiel Myra seine Art, sein gespielter Charme und seine scheinbare Bildung. Sie verliebte sich in ihn, seine gespielte Persönlichkeit. Sie trafen sich ein Viertel Jahr lang und jedesmal unterdrĂĽckte Myra ihre Intuition, welche sie warnte. Myra glaubte an ihren Verstand, an die Logik. Nach und nach nahm dieser „Er“ mehr Raum in Myras Leben ein und sie hätte beinahe alle ihre Freunde verloren, wegen IHM. Dann schmeckte Chlodio, die Eidechse, die Bitterkeit in Myras Träne der Tag, als er in der Stimmung und Laune umschlug. Telefonate voller Hass und Zorn auf Myra, schlimmer wurde es noch mit Spott und Hohn. Er versprach ihr: „Egal wo du hintrittst, da wird kein Gras mehr wachsen.“
Von der GlĂĽckseligkeit und Wolke 7, stĂĽrzte sie auf den harten kalten Erdboden. „So muss sich Luzifer nach seinem Fall gefĂĽhlt haben.“ Dachte Myra.
Chlodio musste nicht mehr über Myras Träne erfahren, sondern handeln.

Am nächsten Tag, Myra schnitt eben einige Rosmarinzweige ab, diese würden ihr Herz stärken, stand am Holzgatter ein Fremder.
„Sorry, können Sie mir helfen?“ Fragte der Fremde und Myra antwortete: „Kommt darauf an, um was es geht.“ „Bin gestĂĽrzt und habe eine offene Wunde an der Hand.“ Der Fremde hob die blutige Handfläche und Myra sah ihn an. Sie erhob sich, legte den Rosmarin ab und säuberte sich ihre erdigen Hände an der SchĂĽrze, dann ging sie zum Fremden. „Okay, das sollte ausgewaschen und desinfiziert werden.“ Myra ĂĽberlege kurz, ob sie diesem Mann vertrauen kann und sie hörte auf ihren Bauch. „Gut, kommen Sie rein und im Haus waschen Sie bitte ihre Hände grĂĽndlich!“ Beide traten sie ins kleine Gartenhaus, der Fremde wusch sich die Hände im Bad und Myra holte in einem Schrank Jod und Pflaster.
Myra verarztete den Fremden, der Mann war sehr anziehend und dennoch tat ihr Herz über diesen bösen Liebesbetrug weh. Daher verwarf Myra den süßen Gedanken… Jemand der sie liebt, wie sie ist. Jemand der sie hielt, wenn sie fällt. Jemand der sie tröstet, wenn ihr Herz überquilt. Und dieser Mann war sogar in ihrem Alter, gepflegt, duftend und mit sich im Reinen.

Als sich beide erhoben, sahen sich der Fremde und Myra an, länger als gut war. Zwei schwarze Augenpaare verschmolzen ineinander und Myras Herz begann schnell zu pochen.
Der Fremde sprach: „Ich bin Chlodio und du wirst bald sehr glĂĽcklich sein. Alle die dir Böses taten, werden scheitern. Mein Reich ist nicht von dieser Welt und ich war schon lange dein Wächter, als Rabe, als Kater, als Fliege an deiner KĂĽchenwand und als Eidechse.“
„Chlodio“, stammelte Myra und lieĂź seine Hand los, sie lief raus in den Garten, Chlodio folgte ihr, „wer bist du und woher kommst du?“ „Aus dem Edensystem, ihr nennt es Orion. Dein Name ist Bellatrix, die Kriegerin. So viel hast du ertragen… Komm!“ Sagte Chlodio und streckte ihr die Hand entgegen, etwas zögerlich gab Myra ihre Hand. Beide entschwanden sie in die unendlichen Weiten des Raums und glĂĽcklich, geborgen in Harmonie, wurden sie uralt. Nach 1000 Jahren belächelte Myra alias Bellatrix, diesen bösartigen Giftzwerg, der ihr das Herz zerstören wollte.

©Nicole Maier